Der Berliner in der Literatur – Teil 1
Der Berliner als besonderer Menschenschlag
Die eigentlichen Berliner, mit Spreewasser getauften Kinder sind ein kluges, aufgewecktes Völkchen; dabei gutmütig und in hohem Maße wohltätig und mitfühlend bei fremdem Unglück.
Wird ein Ereignis im Publikum bekannt, wo schnell Hilfe nottut, so eilt alt und jung, arm und reich herbei zu helfen und zu geben. Der verstorbene Klaviervirtuose Lauska, damals Lehrer der königlichen Prinzen, pflegte im Hinblick auf dieses werktätige Wohlwollen zu sagen:
“Wer in Berlin erst arm ist, der ist dicke durch!”…
Felix Eberty (Jugenderinnerungen eines alten Berliners, 1878) aus 100 Jahre Berliner Humor, Berlin 1923
Kein Mensch hat bisher dem Berliner seinen Witz bestritten, diesen immer treffsicheren Pfeil aus dem Köcher seines vorlauten Mundes. Freund und Feind haben es seit alten Zeiten gern oder ungern zugegeben, dass der Berliner nicht auf den Kopf gefallen ist.
Diejenigen aber, die ihm etwas am Zeuge flicken wollten, haben ihr widerwilliges Lob immer sofort durch den Einwand herabgemindert, dass zugunsten dieses hellen und anschlägigen Kopfes das Herz zu kurz gekommen sei. Und somit müßte man dem Berliner von vornherein eine Eigenschaft absprechen, deren Nährboden das Herz ist, nämlich – den Humor…
Auszug aus Geleitwort von Gustav Manz zu 100 Jahre Berliner Humor, Berlin 1923
Es lebt dort (in Berlin), wie ich an allem merke, ein so verwegener Menschenschlag beisammen, daß man mit der Delikatesse nicht weit reicht, sondern daß man Haare auf den Zähnen haben und mitunter etwas grob sein muß, um sich über Wasser zu halten.
Goethe (zu Eckermann) aus 100 Jahre Berliner Humor, Berlin 1923
Reisebegegnung
Es gibt einen sonderbaren Kunden,
Den ich im Süden noch stets gefunden,
Und dem ich im lachenden Sonnenland,
Auch diesmal begegnet am Meeresstrand.
Was auch an Zaubern die Runde weist,
An allem übt er den Nörgelgeist.
Und selbst der Schönheit reichste Gaben,
Er will sie noch schöner und reicher haben.
Der Blitzzug ist ihm nicht schnell genug;
Der Himmel Liguriens nicht hell genug;
Der Turm von Pisa nicht schief genug;
Die Bläue des Meeres nicht tief genug;
Die Veilchen sind ihm nicht billig genug;
Die Blumenmädchen nicht willig genug;
Die Brandung der See nicht erregt genug;
Des Windes Hauch nicht bewegt genug;
Die Palmen? … nun ja, sie prunken und prachten,
Doch seien auch Pappeln nicht ohne Reiz.
Die Felsen wären ja nicht zu verachten,
Doch gäb es das auch in der Sächsischen Schweiz ….
Und das Gewirr bei den Faschingzügen!
Kein Schutzmann bringt Ordnung und Tritt hinein.
Kurz, der Süden müßte im Norden liegen,
Um wirklich tadellos zu sein ….
So hat er alles rundum bemäkelt,
Hat sich und andern den Tag verekelt –
Und was das Unbegreiflichste schien:
Er war trotz alledem – nicht aus Berlin!
Reisebegegnung von Oskar Blumenthal aus 100 Jahre Berliner Humor, Berlin 1923
Weil der Berliner nicht heucheln, schmeicheln, kriechen kann,
muß man ihn nicht arrogant und absprechend nennen; weil sich Berlin,
trotz seiner kurzen Geschichte, so glänzend und bedeutsam herausgehoben,
muß man keinen spöttischen Accent auf seinen Namen legen.
Ad. Brennglas (Adolf Glaßbrenner) in Berliner Volksleben erster Band, Leipzig 1847
“Vor Gott sind eigentlich alle Menschen Berliner”
Theodor Fontane in “Wanderung durch die Mark Brandenburg”
wird fortgesetzt…
Letzte Aktualisierung: 21. September 2010 · Kategorie: Original Berlin Berliner Originale